Karnevalsumzug in Berlin 2010

14.02.2010
Unter dem Motto „Hier tanzt der Bär“ tobte heute der 10. Karnevalszug durch Berlin. So habe ich mich mal wieder auf den Kudamm begeben, den Fotoapparat gezückt und  „Berlin-Heijo“ gerufen. Heijo steht übrigens für Heiterkeit und Jokus.
Der Karnevalsumzug hat sich während seiner 10-jährigen Existenz von einer 100-Leute-Veranstaltung im Jahr 2001 zu einem Gross-Event gemausert. Bereits in der U-Bahn waren so einige Kostümierte zu sehen. Bei meiner Ankunft waren die Strassen bereits dicht von Spalierkräften umsäumt - viele davon verkleidet oder wenigstens mit Perücke ausgestattet. Wie das Foto zeigt, fuhr die als Freund und Helfer bezeichnete grün-weisse Institution als Vorhut voraus. Die grünen Männchen verkündeten alle paar Meter, wir Zuschauer an der Strecke sollen doch bitte die Bordsteinkante nicht übertreten, damit niemand verletzt wird. Das war bei dem Gedrängel unter den närrischen Randgestalten allerdings nicht möglich, und gute Fotos waren dann auch eher direkt auf der Strasse zu holen.
Datum: 14.02.2010
Uhrzeit: 11:44 - ca. 14:30
Wo: City-West, ab Steinplatz
Route: Steinplatz, Hardenbergstr., Bhf Zoologischer Garten, Kurfürstenstr, Nürnberger Str., Tauentzienstr., Breitscheidplatz, Kurfürstendamm, Joachimstalerstr bis Nürnberger Str.
2500 Karnevalisten (geschätzt von der Morgenpost)
  • 92 Gruppen und Vereinen
  • 60 - 75 Wagen,
  • Standartengruppen
  • Musikkapellen
  • 700.000 Besucher schätzte der Veranstalter

Mein Überlegung war es, erst zum Steinplatz zu fahren, um auch ein paar Fotos von den Anfängen des Zugs schießen zu können, und dann schnell zum Breitscheidplatz zu wechseln. Aus Zeitgründen musste ich auf Ersteres verzichten, und suchte mir gleich einen Platz, bei dem ich die Gedächtniskirche gut im Hintergrund hatte.
Dass ich bei meiner Standortwahl nicht die schlechteste Idee hatte, sah ich an den zahlreichen Profifotografen und Kamerateams, die sich ebenfalls dort austobten, und dabei logischerweise nicht auf dem Bürgersteig blieben. Sie keilten sich immer wieder durch die straßensäumende Masse, sprangen direkt in den Zug hinein, und pressten Augen und Lippen vor Anstrengung zusammen. Den einzelnen Künstlern und Tänzern hielten sie ihre Kameras plötzlich vor's Gesicht, ebenso einigen originell verkleideten Spalierstehern. Wenn ihr genau auf das kommende Foto (rechts) schaut, seht ihr im Hintergrund ein Menschlein mit grossen Ohren und rotem Schal, am Arm gepackt von einer Dame mit langer Nase. Die Beiden sind auf der Fotostrecke der Berliner Morgenpost.
An dieser Stelle ist dann auch eine mehr oder weniger gute Gelegenheit, die Frage nach den Fotorechten aufzuwerfen. Wie viele von euch Lesern wissen, haben wir alle ein Recht am eigenen Bild. D.h. wenn ich auf einem Foto zu sehen bin, habe ich ein Recht an diesem Bild, unabhängig davon, wer der Fotograf ist. Daher darf ein Fotograf mich nicht einfach ohne meine Erlaubnis fotografieren und schon gar nicht veröffentlichen. Dieses Recht am Bild ist bei öffentlichen Veranstaltungen ausser Kraft gesetzt. Deshalb dürfen wir Privatpersonen uns nicht beschweren, wenn wir mit aufs Bild/ vor die Kamera geraten, denn dass auf öffentlichen Veranstaltungen gefilmt wird, wissen wir alle vorher. Ebenfalls ist es erlaubt, die Künstler bei ihren Darbietungen zu filmen/ fotografieren, und diese Bilder dürfen dann auch veröffentlicht werden. Aber wie sieht es mit den Fotografen aus??? Sie heben sich von der Masse ab, wären sicherlich auch über Google namentlich zu finden. Sie laufen immer wieder in die Mitte des Geschehens, sind auf ihre Art auch Künstler. Zu guter Letzt fotografieren sie uns, also darf man vielleicht zurückfotografieren? Für mich ein ungeklärter Punkt. Also denke ich mir mal, da ich keinen Menschen bloßstellen möchte, bekommen die beiden Herren einen schwarzen Balken über die Augen, so wie wir es aus den Zeitungen kennen. Jeder, der nicht 0815 aussieht, wird natürlich trotz des Balkens wiedererkannt, aber das ist nun mal die gängige Praxis.
Von den Wagen wurden Bonbons und andere Süßwaren oder auch Give-Aways wie Schlüsselbänder und Fliegenklatschen, genannt Kamelle geworfen. Die immerhungrige Menschenmenge versuchte dann die Kamelle zu fangen. Ich selbst, mehr der Gemüsefan und schwer mit der Fotografie beschäftigt, hatte eher das Problem, dass ab und an etwas Hartes in meinem Gesicht landete. Einige Leute standen mit umgedrehten Schirmen am Straßenrand, um möglichst viel davon aufzufangen

Nicht nur vor und hinter mir war das bunte Treiben, sondern auch seitlich bemerkte ich etwas Drängendes, Schubsendes, um meine Beine wuselndes. Wie heisst es so schön? Kleine Leute interessieren sich für die kleinen Dinge? In der Praxis, zumindest zu Karneval, sieht es dann so aus, dass Kinder und verarmte Erwachsene mit Tüten Süßes und Saures vom Boden, leider auch aus den Pfützen, aufsammeln. Der Allerwerteste vor meiner Linse, über den ich einfach nicht hinweg kam, gehört einer Frau, die emsig bemüht war, ihren Jute-Beutel zu füllen.

20 Jahre Deutsche und Berliner Einheit, 10 Jahre Berliner Karnevalsumzug, und noch heute hat der Veranstalter das Problem, ohne jegliche Zuschüsse planen zu müssen. Über diese Probleme hinter den fröhlichen Kulissen berichtet die Berliner Morgenpost und noch ausführlicher der Tagesspiegel. So steht im Tagesspiegel:
"Hortig kümmert sich um Werbung und das Marketing beim „Karnevalszug Berlin e.V.“ und er hat Monate gebraucht, um genügend Sponsoren zu finden für den Umzug, der am heutigen Sonntag bis zu eine Million Menschen in die Berliner City-West locken dürfte. 50 000 bis 60 000 Euro musste er auftreiben, um Straßenschilder, Reinigung und Sicherheitskräfte zu bezahlen. Unterstützung vom Land Berlin gab es angeblich nicht. „Es ist mir ein Rätsel, warum der Senat sich weigert, die wirtschaftliche Dimension des Karnevals zu erkennen“, sagt er."

Wir hatten Minusgrade, zwar nur zwischen -1 und -4, aber immerhin noch recht kalt. Von daher habe ich mich schon gewundert und die Künstler für ihr Durchhaltevermögen in der leichten Kleidung bewundert. Tanzen und Lampenfieber heizt sicher ein, aber von 11:44 bis ca. 14:30 durchzuhalten ist gewiss nicht leicht. Mir selbst war trotz dicker Winterkleidung recht bald kalt, vor allem an den Händen und Füßen. Meine zu kalten Hände, die ich nicht mehr bewegen konnte, forderten dann letztendlich auch den Entschluss, abzuhauen.