Schneemann-"Demo"

24.01.2010

Bei dieser phantasievollen Aktion ging es vordergründig darum, auf die Erderwärmung, die Klimakrise sowie die bevorstehende Klimakatastrophe aufmerksam zu machen, und das hintergründige Interesse bestand in dem Verkauf von Öko-Strom. Die Schneemänner verstehe ich als Symbol für Kälte, die in den letzten Jahren in Deutschland rar geworden ist. Unsere Sommer werden immer heisser und ein richtiger Winter ist viele Jahre ausgeblieben.

Dieses Jahr zeigt der Winter allerdings, was er kann, denn wir hatten -12°C als ich los fuhr. Also auf in die Winterstiefel und Thermohosen, denn entgehen lassen wollte ich mir die Schneemänner und -frauen nicht. Ausser dem Schneemann-Feld war ein Dialog-Raum eingerichtet worden, in dem eine Ausstellung mit Aufklärung über Sinn und Zweck der Schneemann-Demonstration, eine Diskussionsrunde, warme Getränke, einfach eine Möglichkeit zum Aufwärmen und der Verkauf von Ökostrom angeboten wurde.

Den Dialog-Raum habe ich bei meiner Ankunft als erstes entdeckt, und nach einem längeren Fussweg die Chance genutzt, mich erstmal aufzuwärmen. Drinnen wurde ich fast sofort von einer Hostess, angesprochen oder auch empfangen, die fragte, ob ich zum Aufwärmen reingekommen sei und mir einen Gutschein für ein Heissgetränk überreichte. An der Seite des Raumes war ein kleiner Getränke-Ausschank, wo ich zwischen Kaffee, Zitronen-Ingwer-Tee, Apfelsaft mit Zimt und heisser Schokolade auswählen durfte. Eine andere Hostess stellte mir noch eine Frage, die das Gespräch in Richtung Ökostrom lenken sollte. Fotos vom Dialog-Raum habe ich nicht gemacht, aber auf dem Blog des Initiators Entega wären einige Bilder zu sehen.

Wann: Fr., den 22. - So., den 24.01.2010
Wo: Schlossplatz in Berlin Mitte
Eintritt oder andere Kosten: Keine
Attraktionen: Schneemannfeld, Schneemänner und andere -figuren selbst bauen und stehenlassen, Transparente erstellen, Ausstellung mit Videos, Infos, warme Getränke, Diskussionsmöglichkeiten und weitere Programmpunkte.
Veranstalter: Entega Vertrieb GmbH & Co. KG
Idee: Ralf Schmerberg (Filmemacher, ehemaliger Produzent von Werbespots)

Die "Demonstration" hatte einen Eventcharakter und schien mir sehr umfassend durchgeplant zu sein. Schaut man sich den Veranstalter mal an, ist diese aussergewöhnliche Demo schnell zu durchschauen. Entega ist eine Vertriebsfirma für Ökostrom, die ihre innovative Werbeaktion einfach mal Demonstration genannt hat. Mitarbeiter der taz haben bei der Polizei angerufen:

"Habt ihr was von einer Schneemann-Demo gehört?", fragt die Polizeisprecherin ihre Kollegen, als die taz anruft. Gemurmel im Hintergrund. "Es ist auf jeden Fall keine Demonstration angemeldet", sagt sie."
Quelle: taz vom 22.01.2010.

Hier wurde also der Begriff Demonstration genutzt, um an potentielle Kunden heranzukommen, die Menschen in die als Dialog-Raum bezeichnete Verkaufshalle zu locken, aber es wurde kein Missbrauch des Demonstrationsrechts betrieben, wie es z.B. durch die Love-Parade anfänglich geschah. Ein weiterer, vermutlich erwünschter Effekt des Begriffmissbrauchs ist die kostenlose Eintrittskarte in die Medien und Blogs, wogegen Werbeanzeigen einiges an Geld kosten. Trotzdem ein Vorgehen, dass sich unweigerlich in den Fokus der Diskussion und der Aufmerksamkeit schieben könnte, womit das eigentlich wichtige, aber auch recht unbequeme Thema "Klimawandel" marginalisiert wird.

Genaugenommen ist jeder Schneemann ein Teil der Werbeaktion, weitergedacht haben somit protestwillige Bürger ihre Freizeit und Energie (Arbeitskraft) genutzt, um die Werbeaktion einer Strom-Vertriebsfirma aufzubauen. Anders gedacht ist es nichts Verwerfliches, den Umstieg auf Ökostrom zu unterstützen, nur hätten die Menschen sicher gern vorher gewusst, worauf sie sich einlassen, um sich nicht hinterher missbraucht zu fühlen. Nochmal anders gedacht werden Firmen, die ökologische Produkte verkaufen logischerweise immer ökologische Themen für die Werbung heranziehen. Weiter denke ich, viele Familien und Freundesgruppen hatten kostenlos ihren Spass und haben tolle Erinnerungsfotos mit nach Hause genommen. Auch sollte man realistisch sehen, dass ein solches Event bezahlt werden muss, und wer ausser einer Firma sollte sonst dahinter stecken?! Man könnte auch fragen, darf eine Firma nicht protestieren? Wären z.B. bei der Begriffswahl Protestaktion ähnliche Kritik gekommen?
Weitere Kritikpunke sind die Verwendung von Kunstschnee und dass Eon hinter Entega steht.

Ich selbst habe keinen Schneemann gebaut, sondern bin aus Neugier gekommen und um Fotos zu machen. Vor Ort habe ich mich zwar über die untypische Organisation der vermeintlichen Demonstration gewundert, aber von den Hintergedanken habe ich erst im Nachhinein durch die taz erfahren. Ich persönlich kann nur den Kopf schütteln! Aufrichtig ist es nicht, und ein kritischer Mensch wird sich von der Firma fernhalten, aber richtig schlimm finde ich es auch nicht, und in Zeiten, wo Dummheit und Kritiklosigkeit gross geschrieben wird, braucht man sich über solche Firmenstrategien nicht zu wundern.

Vor altbekannten, aber immer wieder schönen Kulissen, den sog. Berliner Klassikern, ein grosses Aufgebot von Schneemännern neben fortwährender Bauaktivität kälteunempfindlicher Mitmenschen, vor die Linse zu bekommen hat mir trotz der eisigen Temperaturen viel Spass gemacht. Eine hervorragende Gelegenheit, um schöne Fotos zu machen. Beeindruckend war auch, was die Leute alles von zu Hause mitgebracht haben, um ihre Schneemänner zu verzieren. Nicht nur die üblichen Dinge, wie Möhre als Nase, Eimer als Hut und Schals. Auf dem Schneemannfeld findet man einen halben Haushalt und viel Müll, der eine zweite Verwendung gefunden hat, wie z.B. Kronkorken als Knöpfe, Deckel von Blechdosen als Ohren ...

Aber auch die Phantasie und Vielfalt der Figuren war sehr nett anzusehen. Eine Schneekatze, Schneemaus, Igel und einen Eisbären aus Schnee habe ich gefunden.
Weitere interessante Fotomotive boten die Transparente und Schilder.

Alle Fotos können auf 800x600Px grossgeklickt werden

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Super Idee war ja die Demo mit den Schneemännern nur man hätte den Dreck der Demo entfernen sollen am Schlossplatz.

Entega hat gesagt…

Vielen Dank für die tollen Fotos und den netten Bericht von der Schneemann-Demo!